Wieso hat man ständig das Gefühl, dass man sich optimieren muss?
Selbstliebe, Yoga, kreative Hobbies, veganes Kochen- natürlich ohne Histamin und, und, und.
Früher waren es die Magazine, heute ist es Social Media. Uns wird ständig sehr eindrinlich, mit toller Musik und bunten Bilder gezeigt, dass es viel bessere Wege gibt, als den eigenen das Leben zu "leben."
Sport tut dir gut, in der Natur sein belebt den Geist und nach meiner erfolgreichen Morgen-Meditation trinke ich natürlich entspannt meinen Tee. Kaffee ist ja schlecht für unseren Körper, wie wir inzwischen bestimmt alle wissen...
Danach gehe ich energiegeladen in den Biomarkt um mir frische Früchte für mein Frühstück zu holen, welches aber erst um 13 Uhr stattfindet.. Intervallfasten.
Nach der Arbeit gehe ich dann zum Sport, anschließend koche ich erst, und widme ich mich meiner sehr ausgefeilten und komplizierten „Skincare Routine“, ich muss mich ja pflegen. Danach lese noch eines meiner Bücher, die sich selbstverständlich mit Themen wie Erfolg, eigene Entwicklung, finanzielles Wachstum, oder ähnlich gelagertem Genre befassen, bevor ich glücklich und zufrieden in mein Bett gleite.
Nach Tagen wie diesen bin ich sooo total ZEN. Ich bin quasi Buddha und Gandhi in einer Person.
Das war mein Plan gestern Abend für heute. Ich will ja schließlich meine Leben nutzen und "richtig" genießen, "richtig" leben... Heute morgen bin ich aufgewacht, klinisch tot.
Erster Griff ging zum Handy. Bis ich zur Toilette muss, scrolle ich durch Reels. Danach mache ich mir einen Kaffee, der wie Seeed sagen würde „tote Tanten weckt“.
Anschließend mit Buch zurück ins Bett, also das Buch liegt neben mir, während ich eine weitere Stunde am Handy daddle.
Ich erhole mich nur etwas bevor ich joggen gehe und Yoga mache.
Eine weitere Stunde später liege ich immer noch im Bett, und langsam geplagt von Selbstzweifeln und dem Gefühl, dass jeder außer mir sein Leben im Griff hat.
Die Menschen in den Videos, die ich schaue, geben mir das Gefühl nicht genug zu sein. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich auch noch meine Nachbarin vorbei joggen.
Danke dafür.
Ich habe aktuell die Vormittage frei und wollte diese Zeit für mich nutzen. Wachstum, inneres heilen und so. Ich weiß riesiger Luxus. Sprich ich lebe den Traum.
Das Resultat ist, dass ich mich selbst hasse, weil ich es nichtmal schaffe, mir etwas „Gutes“ zu tun.
Niemand spricht darüber wie die unendliche Weite der Freiheit meine Generation (Generation Y, gerne auch auch als Millennials bezeichnet.) überfordern kann und ganz ehrlich es auch wirklich gerne tut, überfordern.
Und, bitte nicht falsch verstehen, ich bin dankbar. Ich bin unendlich dankbar für all die starken Frauen die dafür gekämpft haben, dass ich aus der Küche in den Job kann.
Aber niemand hat darüber nachgedacht, dass ich zwischen der Entscheidung Astronautin zu werden und Kinder zu bekommen, auch noch achtsam sein muss und politisch interessiert.
Schlank und sportlich, aber nicht zu fokussiert auf mein Aussehen.
Im Einklang mit mir selbst, während ich Nachts durch die Bars ziehe, übrigens selbstbewusst allein, und natürlich nicht so kleide, als wäre es mir wichtig, das mich wer sieht, mir Aufmerksamkeit schenkt, mir Komplimente macht.
Im Einklang mit mir selbst, während ich Nachts durch die Bars ziehe, und mich ganz sicher nicht kleide um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Denn Männer sind mir egal, ich liebe mich ja schließlich selbst.
Deshalb mache ich auch verkatert Yoga am nächsten morgen und habe meine Routinen.
Ich wäre gerne all das.
Aber jetzt gerade liege ich im Bett, habe viel zu viel geraucht und trinke Kaffee Nummer drei.
Ich war nicht joggen und das letzte was ich heute machen werde ist Yoga.
Was ich heute aber gerne hätte wäre ein nettes Date mit einem Menschen, der mir sagt, dass ich hübsch bin und mir neben Sicherheit auch ein kleines Stück Unendlichkeit und ein Zuhause in seinen Armen bietet.
Ah und ganz ehrlich, dass Pizza keine Kalorien hat natürlich. Das wäre dann mein zweitgrößter Wunsch für heute.
Ist doch auch eine Art von Selbstliebe, oder?
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